Abi-Meister/in: Qualifikation für die Unternehmensnachfolge

Interview mit Ingrid Seibert-Heß aus Lambrecht

Das Thema Unternehmensnachfolge stellt viele Betriebe im Metallhandwerk vor große Herausforderungen und sollte rechtzeitig angegangen werden. Im Interview berichtet Ingrid Seibert-Heß, Inhaberin der Hermann Seibert GmbH aus Lambrecht in Rheinland-Pfalz, von ihren Erfahrungen und welche Rolle die entsprechende Qualifizierung für eine Nachfolge im High-Tech Umfeld Ihres Feinwerkmechanik-Betriebes spielt.

Frau Seibert Heß, Ihr Unternehmen, die Hermann Seibert GmbH, hat als Familienunternehmen einen exzellenten Ruf im Maschinen- und Vorrichtungsbau, Sondermaschinen und Prototypen zählen zu Ihren Kernkompetenzen.

Wie blicken Sie auf das Thema Unternehmensnachfolge?

Gerade weil wir ein sehr spezielles Leistungsspektrum und das dazugehörende Wissen in der Firma haben, ist das Thema Unternehmensnachfolge bei uns frühzeitig auf den Plan gekommen. Schließlich sind breites Fachwissen, unternehmerische Qualitäten und vor allem eine hohe Motivation zur Führung eines mittelständischen High-Tech Betriebes im Handwerk gefragt. Daher erfordert die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin hohes Engagement.

Wie sind Sie die Unternehmensnachfolge bei sich angegangen?

Ich habe bereits vor 15 Jahren begonnen, mich aktiv damit zu befassen. Aus der Branche wusste ich, dass so ein Prozess langfristig geplant werden muss und durchaus 10 Jahre in Anspruch nehmen kann. Zunächst habe ich eine externe Beratung in Anspruch genommen, musste mich aber trotz langwieriger Verhandlungen und trotz mehrerer – teils kurioser – Anfragen und teils inakzeptabler Konditionen wieder davon trennen.

Im nächsten Schritt habe ich dann versucht, Kandidaten aus der vorhandenen Belegschaft gezielt aufzubauen und mit eigenem finanziellem Engagement zu fördern. Leider erfolglos, ein Kandidat hat das Unternehmen verlassen, der andere seine Meisterprüfung im Feinwerkmechanikerhandwerk nicht beendet. Ich hatte mich danach schon fast darauf eingestellt, das Unternehmen schlussendlich mit Eintritt in den Ruhestand schließen zu müssen, da in der Familie auch keiner für die Nachfolge zur Verfügung stand.

Allerdings, wie so oft im Leben, kam mir ein glücklicher Zufall entgegen.

Was bedeutet das konkret, wie ging es weiter?

Ich erfuhr von einem Kollegen aus der Innung, dass er in seinem industrienahen Metallbaubetrieb zwei engagierte und fachlich versierte Söhne als Kandidaten für eine Führungsposition in einem Metallbetrieb in den Startlöchern hatte. Der eine hatte sich bereits für den Metallbau entschieden, war quasi „gesetzt“ für seinen elterlichen Betrieb. Der andere Sohn, Sebastian, wollte nach dem Fachabitur in die Feinwerkmechanik. Mein Innungskollege suchte in dem Zusammenhang einen Betrieb in einer vergleichbaren Größenordnung und mit feinwerkmechanischer Ausrichtung, um beiden Söhnen eine Perspektive bieten zu können.

Das kam mir selbstverständlich bei meinen Überlegungen zur Unternehmensnachfolge entgegen. Da mein Kollege und ich uns ohnehin gut verstanden und die gleiche Sprache sprachen, war der Weg zur konkreten Planung nicht weit und wir überlegten, wie wir das gemeinsam angehen könnten. Durch eine partnerschaftlich angelegte Firmenbeteiligung an meiner Firma machten wir im ersten Schritt Nägel mit Köpfen und schafften damit eine Perspektive für alle Beteiligten.

Was löste das bei dem jungen Mann aus?

Sebastian begann in meiner Firma seine Ausbildung und zeigte sich von Beginn an extrem motiviert und engagiert. Fachlich brachte er bereits einiges aus seinem elterlichen Betrieb mit. Er ist jetzt bereits in der Lage, selbständig Aufträge zu übernehmen und mit unseren verschiedenen Bearbeitungszentren und Drehmaschinen zu erledigen. Ich habe mich mit ihm deshalb dazu entschieden, dass eine Qualifizierung zum Abi-Meister für ihn genau die richtigen Voraussetzungen schafft, um mein Unternehmen in Zukunft weiterführen zu können. Deshalb habe ich ihn zum Abi-Meister-Lehrgang am Bundesfachzentrum in Northeim angemeldet.

Was beinhaltet die Qualifizierung zum Abi-Meister in Northeim?

Dieser Lehrgang ermöglicht Fachabiturienten und Abiturienten, nach 2 Jahren Ihre Gesellenprüfung und im 3. Jahr die Meisterprüfung im Metallhandwerk zu absolvieren. Diese Ausbildung ist daher besonders interessant für kleine und mittelständischen Unternehmen wie meines, welche junge, technisch orientierte Fach- und Führungskräfte für verantwortungsvolle Positionen im Unternehmen suchen.

Mein Lehrling ist dabei bereits auf einem sehr guten Weg, hat die Zwischenprüfung mit 95% abgeschlossen und verabschiedete sich soeben für die dreimonatige Schulphase nach Northeim. In der Zeit muss ich im Betrieb zwar leider auf ihn verzichten, was mir bei der aktuellen Fachkräftesituation schwerfällt, die Perspektive dahinter rechtfertigt das aber allemal.

Wo wird in Ihrer Firma am praktischen Beispiel deutlich, dass die Qualifikationen Abi-Meister und Betriebswirt des Handwerks so wertvoll sind?

Wir sind Spezialisten in der Feinwerkmechanik. Nehmen Sie zum Beispiel den Bau von Prototypen, wo wir uns einen Namen gemacht haben. Viele Feinwerkmechaniker gehen da nicht ran, weil die Kalkulation mangels Erfahrung eine extreme Herausforderung ist. Bedenken Sie: Hier müssen Sie in der Lage sein, hochkomplexe Aufträge zu kalkulieren, die Sie noch nie gefertigt haben und dennoch einen Festpreis abzugeben. Um das zu bewältigen, kommen heute bereits Softwaretools mit Elementen der künstlichen Intelligenz zum Einsatz, und die muss man verstehen um damit arbeiten können. Damit beschäftigen wir uns gerade intensiv.

Das erfordert neben dem kaufmännischen vor allem auch mathematisches Verständnis sowie IT- und Systemkenntnisse, zum Beispiel von modernen CAD/CAM-Systemen für die Zerspanung. Diese Inhalte werden im Abi-Meister Lehrgang am Bundesfachzentrum in Northeim vermittelt. Für meinen Betrieb sind diese Fähigkeiten unabdingbar und Basis für die Zukunftsfestigkeit.

Wie sehen die nächsten Schritte aus, für Sie und den künftigen Abi-Meister?

Wenn alles nach Plan läuft, wird Sebastian im kommenden Jahr mit dem Abi-Meister fertig sein. Zusätzlich möchte er in Northeim noch die Qualifizierung zum Betriebswirt des Handwerks machen. So gerüstet planen wir danach die Zusammenführung der beiden Firmen, die sich vom Portfolio und von der Kundenstruktur her sinnvoll ergänzen und weiterhin von qualifizierten Führungskräften gelenkt werden. Damit ist dann für mich die Zeit gekommen, aus meiner Firma auszuscheiden, in den verdienten Ruhestand zu gehen und allenfalls noch beratend im Einzelfall zur Seite zu stehen.

Infos zum Northeimer Modell „Abi-Meister“
https://bfm-northeim.de/northeimer-modell-abi-meister/

Bundesfachzentrum Metall und Technik Northeim
Am Rhumekanal 18, 37154 Northeim
Telefon: +49 5551 914987-0
E-Mail: info@bfm-northeim.de